Ausschuss Patentrecht diskutiert über Verbot der Patentierung konventioneller
Züchtung von Pflanzen und Tieren
26. April 2017 / Morgen trifft sich der Ausschuss Patentrecht des Europäischen Patentamtes
(EPA) in München, um darüber zu beraten, wie Patente auf die konventionelle Züchtung von
Pflanzen und Tieren in Zukunft verhindert werden können. Das Treffen ist eine Reaktion auf
eine Stellungnahme der EU-Kommission, nach der Patente lediglich auf gentechnische
Veränderungen nicht aber auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere erteilt werden
dürfen. Diese Stellungnahme wird auch von den EU-Mitgliedsländern unterstützt, die eine
Mehrheit unter den 38 Vertragsstaaten des EPA haben. Nachdem das EPA in den letzten
Jahren bereits rund 200 Patente erteilt hat, die die konventionelle Züchtung von Pflanzen
betreffen, muss diese Rechtspraxis jetzt geändert werden. Ob es jedoch zu ausreichenden
Veränderungen kommen wird, muss bezweifelt werden. Ein Grund: Am Treffen des
Ausschusses nehmen auch die Industrie und die Lobbyorganisation der Patentanwälte teil, die
Öffentlichkeit bleibt aber ausgeschlossen.
„Die internationale Koalition ‚Keine Patente auf Saatgut!‘ hat bereits im Februar angefragt, ob die
Öffentlichkeit zu diesem wichtigen Treffen zugelassen wird. Wir haben keine Antwort erhalten.
Gleichzeitig können die Industrie, vertreten durch BUSINESSEUROPE und die Lobbyorganisation
der Patentanwälte, epi, die hier ihre eigenen Interessen verfolgen, am Treffen teilnehmen und haben
Zugang zu den relevanten Unterlagen“, sagt Katherine Dolan von Arche Noah Österreich. „Das
EPA, dessen Bedeutung und Einkommen von der Anzahl der erteilten Patente abhängt, versucht hier
offensichtlich seine eigenen Interessen und die Interessen der Industrie vor der Öffentlichkeit zu
schützen.“
Es gibt weitere gute Gründe an der Bereitschaft des EPA zu zweifeln: In einem vertraulichen Papier
des Präsidenten des EPA, das „Keine Patent auf Saatgut“ vorliegt, werden nur geringfügige
Veränderungen vorgeschlagen. Demnach sollen nur solche Pflanzen und Tiere vom Patentschutz
ausgenommen werden, die ausschließlich aus einer Kombination von Kreuzung und Selektion
stammen, andere konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere nicht. Wie eine aktuelle Recherche
von ‚Keine Patente auf Saatgut!‘ zeigt, könnte dieses Verbot mühelos durch eine gezielte
Formulierung von Patentansprüchen umgangen werden:
„Konventionelle Züchtung ist weit mehr als eine Kombination von Kreuzung und Selektion. Die
Auswahl und Verwendung von genetischen Besonderheiten und Zufallsmutationen werden in der
Pflanzenzucht ebenso eingesetzt wie Verfahren zur Vermehrung von Pflanzen ohne zusätzliche
Kreuzung“, sagt Christoph Then für ‚Keine Patente auf Saatgut!‘ „Unsere Recherche zeigt, dass
etwa 65 % der Patente, die 2016 im Bereich konventioneller Züchtung erteilt wurden, auf
Zufallsmutationen beruhen. Diese wären auch in Zukunft patentierbar, wenn der Vorschlag des
Präsidenten des EPA angenommen würde.“
Ein Beispiel dafür, wie diese Schlupflöcher bereits genutzt werden, sind Patente auf Bier der
Firmen Carlsberg und Heineken, die 2016 vom EPA erteilt wurden. Ausgehend von zufälligen
Mutationen werden alle Gerstenpflanzen beansprucht, die eine bestimmte Brauqualität haben.
Zudem werden auch das Brauen und das Bier selbst als Erfindung beansprucht. Gegen diese Patente
wurden inzwischen in mehreren Europäischen Ländern Protestaktionen gestartet.
In einem Positionspapier, das an die Mitglieder des Ausschusses Patentrecht verschickt wurde, hat
‚Keine Patente auf Saatgut!‘ deswegen drei Kernforderungen formuliert:
Das EPA muss klarstellen, dass alle Verfahren, die in der konventionellen Züchtung
eingesetzt werden, von der Patentierung ausgenommen werden, darunter auch die
Verwendung von zufälligen Mutationen und alle Einzelschritte wie die Auswahl oder die
Vermehrung von Pflanzen und Tieren.
Das EPA muss klarstellen, dass alle „Produkte“, die in der konventionellen Züchtung
verwendet oder mit deren Hilfe gewonnen werden, vom Verbot der Patentierung erfasst
werden. Dazu gehören auch Teile von Pflanzen und Tieren und deren genetischen
Grundlagen.
Im Bereich der Züchtung von Pflanzen und Tieren darf kein „absoluter Stoffschutz“ gewährt
werden, der es erlauben würde, die Reichweite von Patenten, die im Bereich Gentechnik
erteilt werden, auf Pflanzen und Tiere mit ähnlichen Merkmalen auszuweiten.
Im Ergebnis fordert ‚Keine Patente auf Saatgut!‘, dass die zukünftige Praxis des EPA für
konventionelle Züchter eine vergleichbare Rechtssicherheit bietet, wie dies im Sortenschutzrecht im
Rahmen des „Züchterprivilegs“ üblich ist: Solange ein Züchter keine gentechnischen Verfahren
oder gentechnisch veränderte Pflanzen oder Tiere verwendet, muss er sich auch nicht um Patente
kümmern.
Es wird erwartet, dass sich die 38 Vertragsstaaten des EPA, zu denen auch die Mitgliedsländer der
EU gehören, im Juni 2017 in einer Sitzung des Verwaltungsrates des EPA treffen werden. Dabei
könnten sie auch eine Entscheidung darüber treffen, wie die Verbote des Patentrechts in Zukunft
ausgelegt werden. Die Entscheidung kann mit einer Zweidrittel-Mehrheit der Delegierten getroffen
werden.
Die Pressemitteilung als pdf
Kontakte:
Katherine Dolan, Arche Noah: Tel +43 (0) 676 557 4408, katherine.dolan@arche-noah.at
Christoph Then, Sprecher für ‚Keine Patente auf Saatgut!‘, Tel +49 (0) 151 54638040,
info@no-patents-on-seeds.org
Johanna Eckhardt, Projektkoordination für ‚Keine Patente auf Saatgut!‘, Tel + 43 680 2126 343,
johanna.eckhardt@no-patents-on-seeds.org
Weitere Informationen:
Das Positionspapier von ‚Keine Patente auf Saatgut!‘:
http://no-patents-on-seeds.org/en/information/background/summary-note-implementingcommission-
s-legal-notice
Recherche zu aktuellen Patentanträgen:
http://no-patents-on-seeds.org/en/node/394/patent-applications-2016
Die Aktion gegen die Patente von Carlsberg: www.no-patents-on-beer.org/de