Trotz neuer Regeln erteilt EPA weiter Patente auf konventionelle Züchtung
- Oktober 2018 / Heute findet am Europäischen Patentamt (EPA) in München eine Anhö
rung zu einem weiteDas Patent erstreckt sich auf Gerste aus konventioneller Züchtung und deren Verwendung zum Brauen sowie das damit produzierte Bier. Laut einer neuen Richtlinie des EPA, die 2017 beschlossen wurde, dürfen herkömmlich, konventionell gezüchtete Pflanzen nicht patentiert werden. Trotzdem ist zu erwarten, dass das EPA dieses Patent lediglich einschränken, nicht aber widerrufen wird.
Der Fall der Gerste-Patente ist ein Präzedenzfall mit erheblichen Auswirkungen für die gesamte Pflanzenzüchtung: Viele Züchter setzen bestimmte Hilfsmittel ein, um die Entstehung zufälliger Mutationen in den Nutzpflanzen zu beschleunigen. Derartige Verfahren gelten als eine Art Evolution im Zeitraffer. Werden in den zufälligen Veränderungen des Erbgutes interessante Eigenschaften entdeckt, werden diese vom EPA als patentierbare technische Erfindung angesehen, obwohl entsprechende Verfahren in der konventionellen Pflanzenzucht schon seit rund 50 Jahren eingesetzt werden.
Nach verschiedenen Schätzungen sind derzeit tausende von Pflanzensorten im Anbau, die mit Hilfe zufälliger Mutationen gezüchtet wurden. Bisher konnten diese Sorten von anderen Züchtern frei verwendet werden, um die nächsten Generationen von Nutzpflanzen zu erzeugen. Durch Patente werden aber derartige Pflanzen monopolisiert und ihre weitere Verwendung in der Züchtung kann erheblich behindert oder blockiert werden. Damit erhalten große Konzerne zunehmende Kontrolle über Züchtung, Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung. Wie sich im Falle von Carlsberg und Heineken zeigt, erstrecken sich die Patente in vielen Fällen sogar auf die Ernte und deren Verarbeitung zu Lebensmitteln.
„Wir sehen den Beginn einer Entwicklung, die eine freie Pflanzenzucht in naher Zukunft unmöglich machen kann. Derartige patentierte Mutationen könnten in jeder Nutzpflanze versteckt sein“, warnt Johanna Eckhardt von Keine Patente auf Saatgut. „Von dieser Entwicklung profitieren die Patentanwälte sowie das EPA und die Konzerne. Wir dürfen es nicht zulassen, dass deren Interessen die Zukunft unserer Ernährung gefährden.“
Auch die Patente von Carlsberg und Heineken beruhen auf derartigen zufälligen Mutationen im Erbgut der Gerste. Deren Ernte soll sich deswegen besonders gut für das Bierbrauen eignen. Die Patente umfassen die Gersten-Pflanzen, deren Ernte, den Prozess des Bierbrauens, Produkte wie Malz und Würze sowie jegliche auf diese Weise produzierte Getränke. Nach Ansicht von Keine Patente auf Saatgut! ist das Patent ein Missbrauch des Patentrechtes, dem keinerlei Erfindung zugrunde liegt. Laut europäischem Patentrecht sind Patente auf Pflanzensorten sowie auf konventionelle Züchtung verboten. Auch nach den neuen Prüfrichtlinien des EPA sind zwar Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen erlaubt, „nicht aber auf die Ergebnisse aus konventioneller Züchtung.“ Die Praxis des EPA steht damit im krassen Widerspruch zur eigenen Prüfrichtlinie.
„Das EPA unterläuft die bestehenden Verbote mit immer neuen Tricksereien. Schon in den ersten Einspruchsverfahren, bei denen neuen Regeln des EPA zur Anwendung kommen, zeigt sich, dass diese Regeln nicht funktionieren. Es werden weiterhin Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen erteilt“, sagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Insbesondere Bundesjustizministerin Barley, muss jetzt aktiv werden, um die bestehenden Schlupflöcher zu schließen. Sie darf es nicht zulassen, dass die Interessen der Patentindustrie unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen gefährdet.“
Bereits im Juni hatte Keine Patente auf Saatgut! zusammen mit rund 40 weiteren Organisationen die Ministerin, deren Name deckungsgleich mit dem englischen Wort für Gerste ist, dazu aufgerufen gegen Patente auf Pflanzen und Tiere aktiv zu werden, wie dies im Koalitionsvertrag festgehalten ist.
An insgesamt drei Einsprüchen gegen Patente von Carlsberg und Heineken haben sich folgende Organisationen beteiligt: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (AGU), Arche Noah Österreich, Bioland, ARGE Schöpfungsverantwortung Österreich, Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst, Bündnis gentechnikfreie Landwirtschaft, der BUND Naturschutz Bayern (BN), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), Campact, Copenhagen Food co-operative Dänemark, Die Freien Bäcker, Evangelischer Dienst auf dem Land in der EKD (EDL), Erzeugergemeinschaft für ökologische Braurohstoffe (EZÖB), Erzeugergemeinschaft Bördeland und Diemetal, FIAN, GAIA Portugal, Gäa e. V. – Vereinigung ökologischer Landbau, Gen-ethisches Netzwerk (GeN), HORIZONT3000 Österreich, IG Milch Österreich, IG Nachbau, Katholische Landvolkbewegung (KLB), Kein Patent auf Leben!, No Patents on Seeds!, NOAH – Friends of the Earth Denmark, Plataforma transgénicos fora Portugal, Pro Regenwald, ProSpecieRara Schweiz, Sambucus, Save Our Seeds!, Slow Food Deutschland, Swissaid, Umweltinstitut München, Verband Katholisches Landvolk (VKL), Welthaus Diözese Graz-Seckau Österreich, WeMove.EU, Zivilcourage Rosenheim und Miesbach sowie die Zukunftsstiftung Landwirtschaft.
Kontakte:
- Christoph Then, Sprecher für „Keine Patente auf Saatgut!“, Tel +49 (0) 151 54638040, info@no-patents-on-seeds.org
- Johanna Eckhardt, Projektkoordination für „Keine Patente auf Saatgut!“, Tel + 43 (0) 680 2126343, johanna.eckhardt@no-patents-on-seeds.org
- Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Tel.: + 49 (0) 170 4964684, janssen@abl-ev.de
- Ruth Tippe, Kein Patent auf Leben!, Tel.+49 (0) 173 154 3409, rtippe@keinpatent.de